Religiöse Pluralität und arbeitsmarktbezogene Diskriminierungserfahrungen afghanischstämmiger Frauen muslimischen und hinduistischen Glaubens.
Eine vergleichende Studie zur Bedeutung von Religion als psychosoziale Ressource und Diskriminierungsmerkmal
Promotionsprojekt von Aria Anwar
Welche Diskriminierungserfahrungen machen afghanischstämmige Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt? Welche Rolle spielt religiöse Zugehörigkeit bei der Bewältigung von arbeitsmarktbezogenen Diskriminierungserfahrungen, und wie werden diese individuell und kollektiv bewältigt? Das sind die zentralen Fragen dieses Dissertationsprojektes zur Arbeitsmarktpartizipation afghanischstämmiger Frauen unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften.
"Menschen mit Migrationshintergrund haben in Deutschland – wie in den meisten anderen westlichen Demokratien – auch bei gleicher Qualifikation signifikant schlechtere Erfolgsaussichten, wenn sie sich auf Ausbildung-, Praktikums- und Arbeitsstellen bewerben. Das Ausmaß der ethnischen Diskriminierung variiert dabei nicht nur zwischen Ländern, sondern auch zwischen Berufen und Herkunftsgruppen." Zu diesem Ergebnis kommt die Sozialpsychologin Susanne Veit (2020, S. 17) nach ihren feldexperimentellen Forschungen zu ethnischer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Ebenfalls konnte wissenschaftliche eruiert werden, dass das vielschichtige Phänomen der Diskriminierung vorwiegend aus dem Zusammenspiel von intersektionalen Diskriminierungsmotiven resultiert, etwa von "(zugeschriebener) ethnischer Herkunft, Religion und Geschlecht, mitunter auch […] Alter und sozialem Status" (Peucker, 2010, S. 9). Weitere Studien zeigten, dass sich Arbeitsmarktdiskriminierung speziell gegen Muslime*innen richtet (vgl. z.B. Koopmans, Veit & Yemane, 2018, S. 24). Eine besondere Rolle bei intersektionalen Diskriminierungsmechanismen kommt daher der Religionszugehörigkeit zu.
Die afghanische Diaspora in Deutschland wächst, und die Zahl der afghanischen Bürger*innen hat sich allein in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt (vgl. Statistisches Bundesamt, 2020; Statistisches Bundesamt, 2019, S. 139). Die Islamische Republik Afghanistans wird im öffentlichen Diskurs als streng fundamental-muslimisch geprägt dargestellt und diskutiert. Obwohl die afghanische Bevölkerung mehrheitlich muslimisch „gelesen“ wird, ist der Anteil anderer Religionsgruppen unter den Zugewanderten aber nicht unwesentlich. Der Anteil der nicht-muslimischen Afghanen*innen unter den Schutzsuchenden liegt insgesamt bei 20,1 Prozent (vgl. BAMF, 2020, S. 5). Die wissenschaftliche Untersuchung der hinduistischen Religionsgemeinschaft afghanischer Abstammung ist unter anderem deshalb von besonderem Interesse, weil sie Rückschlüsse darauf erlaubt, welche Begegnungen mit Hürden und Hemmnissen auf dem Arbeitsmarkt muslimische und nicht-muslimische Religionsgemeinschaften in Deutschland gemein oder nicht gemein haben.
Es ergeben sich folgende zentrale Fragen für dieses Forschungsvorhaben:
Quellen und Literatur:
"Menschen mit Migrationshintergrund haben in Deutschland – wie in den meisten anderen westlichen Demokratien – auch bei gleicher Qualifikation signifikant schlechtere Erfolgsaussichten, wenn sie sich auf Ausbildung-, Praktikums- und Arbeitsstellen bewerben. Das Ausmaß der ethnischen Diskriminierung variiert dabei nicht nur zwischen Ländern, sondern auch zwischen Berufen und Herkunftsgruppen." Zu diesem Ergebnis kommt die Sozialpsychologin Susanne Veit (2020, S. 17) nach ihren feldexperimentellen Forschungen zu ethnischer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Ebenfalls konnte wissenschaftliche eruiert werden, dass das vielschichtige Phänomen der Diskriminierung vorwiegend aus dem Zusammenspiel von intersektionalen Diskriminierungsmotiven resultiert, etwa von "(zugeschriebener) ethnischer Herkunft, Religion und Geschlecht, mitunter auch […] Alter und sozialem Status" (Peucker, 2010, S. 9). Weitere Studien zeigten, dass sich Arbeitsmarktdiskriminierung speziell gegen Muslime*innen richtet (vgl. z.B. Koopmans, Veit & Yemane, 2018, S. 24). Eine besondere Rolle bei intersektionalen Diskriminierungsmechanismen kommt daher der Religionszugehörigkeit zu.
Die afghanische Diaspora in Deutschland wächst, und die Zahl der afghanischen Bürger*innen hat sich allein in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt (vgl. Statistisches Bundesamt, 2020; Statistisches Bundesamt, 2019, S. 139). Die Islamische Republik Afghanistans wird im öffentlichen Diskurs als streng fundamental-muslimisch geprägt dargestellt und diskutiert. Obwohl die afghanische Bevölkerung mehrheitlich muslimisch „gelesen“ wird, ist der Anteil anderer Religionsgruppen unter den Zugewanderten aber nicht unwesentlich. Der Anteil der nicht-muslimischen Afghanen*innen unter den Schutzsuchenden liegt insgesamt bei 20,1 Prozent (vgl. BAMF, 2020, S. 5). Die wissenschaftliche Untersuchung der hinduistischen Religionsgemeinschaft afghanischer Abstammung ist unter anderem deshalb von besonderem Interesse, weil sie Rückschlüsse darauf erlaubt, welche Begegnungen mit Hürden und Hemmnissen auf dem Arbeitsmarkt muslimische und nicht-muslimische Religionsgemeinschaften in Deutschland gemein oder nicht gemein haben.
Es ergeben sich folgende zentrale Fragen für dieses Forschungsvorhaben:
- Wie stellt sich Arbeitsmarktdiskriminierung (bezogen auf ethnische und religiöse Dimensionen) aus Sicht der Betroffenen in der Praxis dar?
- Wie erleben die Betroffenen Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt, und wie wird diese (von ihnen selbst und anderen) mit ihrer Religionszugehörigkeit verknüpft?
- Wie werden derartige Erfahrungen individuell und kollektiv bewältigt? Welche Rolle spielen individueller Glaube und die Ressourcen der religiösen Gemeinschaft? Und welche Unterschiede ergeben sich innerhalb unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften (z.B. dem hanafitischen Islam oder dem hinduistischen Shivaismus) ?
- Ergibt sich daraus ein Spannungsverhältnis zwischen Religion als Ressource und als Diskriminierungsfaktor innerhalb der individuellen (Erwerbs-)Biografien?
Quellen und Literatur:
- Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (2020). Die Religionszugehörigkeit, religiöse Praxis und soziale Einbindung von Geflüchteten. BAMF-Kurzanalyse, 02/2020.
- Koopmans, Ruud/ Veit, Susanne/ Yemane, Ruta (2018). Ethnische Hierarchien in der Bewerberauswahl: Ein Feldexperiment zu den Ursachen von Arbeitsmarktdiskriminierung. WZB Discussion Paper. No. SP VI,2018-104, Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
- Peucker, Mario (2010). Diskriminierung aufgrund der islamischen Religionszugehörigkeit im Kontext Arbeitsleben – Erkenntnisse, Fragen und Handlungsempfehlungen. Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Forschung und Handlungsempfehlungen. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, online: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Exper-tise_Diskr_aufgrund_islam_Religionszugehoerigkeit_sozialwissenschaftlich.pdf%3F__blob%3Dpubli-cationFile. Aufgerufen am 08.09.2020.
- Statistisches Bundesamt (2020). Ausländische Bevölkerung nach Geschlecht und Herkunftsland, online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Tabellen/auslaendische-bevoelkerung-geschlecht.html. Aufgerufen am 02.09.2020.
- Straub, Jürgen (2010). Das Verstehen kultureller Unterschiede. Relationale Hermeneutik und komparative Analyse in der Kulturpsychologie. In: Gabriele Cappai, Shingo Shimada & Jürgen Straub (Hrsg.). Interpretative Sozialforschung und Kulturanalyse. Bielefeld: transcript, S. 39-99.
- Veit, Susanne (2020). Feldexperimentelle Forschung zu ethnischer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. „Alle sind gleich, aber manche sind gleicher“. In: Genkova, Petia/ Ringeisen, Tobias/ Leong, Frederick T. L. (Hrsg.): Handbuch Stress und Kultur. Wiesbaden: Springer Fachmedien.