Religiöse Identität jugendlicher Aleviten und Sunniten
Die Frage nach möglichen Spannungen im Feld von religiöser Identität und gesellschaftlichen Anpassungserwartungen stellt sich für türkeistämmige Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland momentan in einem politischen Klima, welches auf mehreren Ebenen sehr angespannt ist.
Auf gesellschaftlicher Ebene haben diese Spannungen die Spaltung unter den hiesigen Türkeistämmigen vergrößert und die durch die Migration nach Deutschland „importierten“ zentralen Konfliktlinien unter den Türkeistämmigen wieder einmal zutage gefördert und ins allgemeine Interesse der Aufmerksamkeit gerückt. Neben der ersten Konfliktdimension zwischen laizistischen und religiösen Türkinnen und Türken und der zweiten Konfliktdimension zwischen ethnischen Türken und Kurden ergibt sich die dritte Konfliktdimension aus der stets latenten Spannung in der unterschiedlichen Deutung des Islam und den daraus abgeleiteten Lebensformen zwischen Aleviten und Sunniten“[1].
Diese aktuellen Spannungen aufgrund alter und neuer Konflikte machen es meines Erachtens umso dringlicher auf der Mikroebene zu schauen, wie es um die Jugendlichen und ihre religiöse Identität bestellt ist oder um es mit Hacı-Halil Uslucans Worten zu sagen, den bisher zu wenig erforschten „Eigenwert“ der jeweiligen Religion zu untersuchen (Uslucan 2016: 221). Nur so kann ich herausfinden, inwiefern die Jugendlichen Spannungsfelder hinsichtlich gesellschaftlicher Anpassungserwartungen wahrnehmen und wie sie diesen begegnen.
Ausgehend von meiner Hauptfragestellung:
Welche Spannungen ergeben sich zwischen religiöser Identität und gesellschaftlichen Anpassungserwartungen?
möchte ich folgenden untergeordneten Fragen nachgehen:
Was bedeutet die Religiosität für ihren Alltag? Wo gibt es möglicherweise alltägliche Herausforderungen, die unter Umständen auch mit ihrer Adoleszenz zu tun haben?
Inwiefern werden von ihnen Konflikte wahrgenommen, die aufgrund der religiösen Lebensführung hervorgerufen werden? Auf welche Weise bietet die Religion auch Lösungen für gesellschaftliche Anforderungen?
Inwiefern bietet ihr Leben in Deutschland attraktive Angebote, von denen die Jugendlichen sich angezogen fühlen? Wo sehen sie sich womöglich eingeschränkt, inwiefern empfinden sie Restriktionen?
Aufgrund welcher Wertepräferenzen entwickeln sie Lebensentwürfe und Zukunftsperspektiven?
Die Studie möchte ich mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchführen, die sich jeweils dem Bund der Alevitischen Jugend (BDAJ e.V.) sowie dem Bund der Muslimischen Jugend (BDMJ), zugehörig fühlen.
Werner Schiffauer betont, dass jugendliche Muslime ihr religiöses Selbstverständnis, welches ihnen in besonderer Weise helfen kann, um in der deutschen Gesellschaft klarzukommen, abhängig davon entwickeln können, inwiefern ihnen hybride Freiräume von der Mehrheitsgesellschaft erlaubt werden (vgl. Schiffauer 2008: 15; vgl. auch Wensierski und Lübcke 2007). Dementsprechend ist es von großer Bedeutung, wie jugendliche Muslime die Mehrheitsgesellschaft, die von ihnen eine Positionierung erwartet, wahrnehmen. Da sie selbst in kulturell heterogenen Lebenswelten aufwachsen, sind sie religiöse Vielfalt gewohnt (Isik 2010: 55). Schiffauer weist außerdem darauf hin, dass die Stadt, in der Jugendliche mit Migrationshintergrund leben, für sie einen bedeutenden Identifikationsfaktor darstellen kann, interessanterweise auch dann, wenn eine Distanzierung zu „Deutschland“ besteht (vgl. Schiffauer 2008: 95f).
Um die Wahrnehmungen der Jugendlichen in Erfahrung zu bringen, halte ich es für wichtig, bei meiner Untersuchung Schiffauers Plädoyer für die „Kultur des genauen Hinsehens“ zu folgen (Schiffauer 2008: 15) und entsprechend Levent Tezcans Plädoyer gegen eine Anerkennung, die Gleichartigkeit voraussetzt und schließlich Ausschluss bedingt, die Jugendlichen „aufmerksam“ zu „beobachten“ ohne dabei die Frage nach der Religion auf die Integrationsdebatte „einzuengen“ (Tezcan 2003: 257ff).
Methodologie und Methode
Die Studie soll methodisch an das Forschungsparadigma der Grounded Theory angelehnt werden, die in der qualitativen Sozialforschung angesiedelt ist und die in den 1960er Jahren von Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss entwickelt wurde und seitdem von ihnen und zahlreichen weiteren Wissenschaftlern weiterentwickelt wurde. Denn sie ermöglicht es durch ihren abduktiven Ansatz - der stetigen Verknüpfung von Empirie und Theorie - einen offenen Zugang zu einem bisher wenig erforschten Feld zu erschließen. Die „gegenstandsbezogene, datengestützte“ (grounded) Theoriebildung ermöglicht eine praxisnahe Beschreibung des Gegenstands durch Kategorienbildung und in einem weiterführenden Schritt eine Abstraktion der Beschreibung durch Theoriegenerierung.
[1] Bundeszentrale für politische Bildung, Beitrag von Hacı -Halil Uslucan et al. vom 10.03.2017: „Türkeistämmige in Deutschland. Heimatlos oder überall zuhause?“.
Auf gesellschaftlicher Ebene haben diese Spannungen die Spaltung unter den hiesigen Türkeistämmigen vergrößert und die durch die Migration nach Deutschland „importierten“ zentralen Konfliktlinien unter den Türkeistämmigen wieder einmal zutage gefördert und ins allgemeine Interesse der Aufmerksamkeit gerückt. Neben der ersten Konfliktdimension zwischen laizistischen und religiösen Türkinnen und Türken und der zweiten Konfliktdimension zwischen ethnischen Türken und Kurden ergibt sich die dritte Konfliktdimension aus der stets latenten Spannung in der unterschiedlichen Deutung des Islam und den daraus abgeleiteten Lebensformen zwischen Aleviten und Sunniten“[1].
Diese aktuellen Spannungen aufgrund alter und neuer Konflikte machen es meines Erachtens umso dringlicher auf der Mikroebene zu schauen, wie es um die Jugendlichen und ihre religiöse Identität bestellt ist oder um es mit Hacı-Halil Uslucans Worten zu sagen, den bisher zu wenig erforschten „Eigenwert“ der jeweiligen Religion zu untersuchen (Uslucan 2016: 221). Nur so kann ich herausfinden, inwiefern die Jugendlichen Spannungsfelder hinsichtlich gesellschaftlicher Anpassungserwartungen wahrnehmen und wie sie diesen begegnen.
Ausgehend von meiner Hauptfragestellung:
Welche Spannungen ergeben sich zwischen religiöser Identität und gesellschaftlichen Anpassungserwartungen?
möchte ich folgenden untergeordneten Fragen nachgehen:
Was bedeutet die Religiosität für ihren Alltag? Wo gibt es möglicherweise alltägliche Herausforderungen, die unter Umständen auch mit ihrer Adoleszenz zu tun haben?
Inwiefern werden von ihnen Konflikte wahrgenommen, die aufgrund der religiösen Lebensführung hervorgerufen werden? Auf welche Weise bietet die Religion auch Lösungen für gesellschaftliche Anforderungen?
Inwiefern bietet ihr Leben in Deutschland attraktive Angebote, von denen die Jugendlichen sich angezogen fühlen? Wo sehen sie sich womöglich eingeschränkt, inwiefern empfinden sie Restriktionen?
Aufgrund welcher Wertepräferenzen entwickeln sie Lebensentwürfe und Zukunftsperspektiven?
Die Studie möchte ich mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchführen, die sich jeweils dem Bund der Alevitischen Jugend (BDAJ e.V.) sowie dem Bund der Muslimischen Jugend (BDMJ), zugehörig fühlen.
Werner Schiffauer betont, dass jugendliche Muslime ihr religiöses Selbstverständnis, welches ihnen in besonderer Weise helfen kann, um in der deutschen Gesellschaft klarzukommen, abhängig davon entwickeln können, inwiefern ihnen hybride Freiräume von der Mehrheitsgesellschaft erlaubt werden (vgl. Schiffauer 2008: 15; vgl. auch Wensierski und Lübcke 2007). Dementsprechend ist es von großer Bedeutung, wie jugendliche Muslime die Mehrheitsgesellschaft, die von ihnen eine Positionierung erwartet, wahrnehmen. Da sie selbst in kulturell heterogenen Lebenswelten aufwachsen, sind sie religiöse Vielfalt gewohnt (Isik 2010: 55). Schiffauer weist außerdem darauf hin, dass die Stadt, in der Jugendliche mit Migrationshintergrund leben, für sie einen bedeutenden Identifikationsfaktor darstellen kann, interessanterweise auch dann, wenn eine Distanzierung zu „Deutschland“ besteht (vgl. Schiffauer 2008: 95f).
Um die Wahrnehmungen der Jugendlichen in Erfahrung zu bringen, halte ich es für wichtig, bei meiner Untersuchung Schiffauers Plädoyer für die „Kultur des genauen Hinsehens“ zu folgen (Schiffauer 2008: 15) und entsprechend Levent Tezcans Plädoyer gegen eine Anerkennung, die Gleichartigkeit voraussetzt und schließlich Ausschluss bedingt, die Jugendlichen „aufmerksam“ zu „beobachten“ ohne dabei die Frage nach der Religion auf die Integrationsdebatte „einzuengen“ (Tezcan 2003: 257ff).
Methodologie und Methode
Die Studie soll methodisch an das Forschungsparadigma der Grounded Theory angelehnt werden, die in der qualitativen Sozialforschung angesiedelt ist und die in den 1960er Jahren von Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss entwickelt wurde und seitdem von ihnen und zahlreichen weiteren Wissenschaftlern weiterentwickelt wurde. Denn sie ermöglicht es durch ihren abduktiven Ansatz - der stetigen Verknüpfung von Empirie und Theorie - einen offenen Zugang zu einem bisher wenig erforschten Feld zu erschließen. Die „gegenstandsbezogene, datengestützte“ (grounded) Theoriebildung ermöglicht eine praxisnahe Beschreibung des Gegenstands durch Kategorienbildung und in einem weiterführenden Schritt eine Abstraktion der Beschreibung durch Theoriegenerierung.
[1] Bundeszentrale für politische Bildung, Beitrag von Hacı -Halil Uslucan et al. vom 10.03.2017: „Türkeistämmige in Deutschland. Heimatlos oder überall zuhause?“.